aus: http://boehm-chronik.com/grundherrschaft/dominium.htm

Gemeinsame Notiz

aus: http://boehm-chronik.com/grundherrschaft/dominium.htm
Betrachten wir zunächst die Verhältnisse im achtzehnten Jahrhundert, also vor der Bauernbefreiung durch die Preußischen Reformen!

In diesen alten Zeiten unterstand jede schlesische Dorfgemeinschaft einem Grundherrn; dieser war in der Regel der Besitzer des jeweiligen Rittergutes. Die Grundherrschaft und das Rittergut wurden 'Dominium' genannt.

Das Dominium hatte die Oberaufsicht und das Verfügungsrecht über den Dorfanger mit der Dorfstraße und dem Dorfteich, über die Grenzraine, Wege, Stege, Bäche, Flüsse und die sonstigen unbebauten Flecken der Dorfgemarkung nebst besonderen Rechten, deren wichtigste das Jagdrecht, das Fischereirecht und das Bier- und Branntweinmonopol waren.

Vor allem aber gehörten dem Dominium innerhalb der Gemarkung umfangreiche, mehrere hundert Hektar große Ländereien, die mit Hilfe dienstpflichtiger Knechte und Mägde und sonstiger Dienstleute sowie mit Hilfe der zu bestimmten Diensten verpflichteten Stellenbesitzer bewirtschaftet wurden.

Alle Grundbesitze im Dorf mit Ausnahme des Rittergutes gehörten solchen Stellenbesitzern. Diese 'Possessionen' (Besitztümer) waren je nach der Größe und Beschaffenheit des Bodens und je nach der Belastbarkeit ihrer Inhaber in drei Arten von 'Rustikalstellen' eingeteilt: in Bauernstellen, Gärtnerstellen und Häuslerstellen.

Die Zahl der Stellen eines Dorfes war durch Herkommen und Vereinbarung in 'Urbaren' schriftlich festgelegt und nur in sehr großen Zeitabständen durch Anpassung an neue Verhältnisse veränderbar. Über alle Rustikalstellen des Dorfes war die Grundherrschaft Obereigentümer. Zwar war in Mittelschlesien der Stellenbesitz erblich; die Herrschaft konnte also einzelne Stellen nicht willkürlich einziehen und neu besetzen. Aber der Stellenbesitzer war bei jedem Besitzwechsel (Verkauf, Abtretung oder Erbfall) an die Zustimmung des Grundherrn gebunden und mußte in jedem dieser Fälle eine Besitzwechselabgabe, das sogenannte 'Laudemium', zahlen. Siehe auch Lasser Bodenrecht.

Der Besitzwechsel konnte aber auch versagt werden, wenn durch ihn die Wirtschaftlichkeit der Stelle gefährdet war. Denn die Grundherrschaft hatte die Pflicht, die Rustikalstellen betriebsfähig zu halten; sie mußte also in Notzeiten, bei Mißernten und Viehsterben den Stelleninhabern Brot bis zur nächsten Ernte, Saatgetreide und Vieh liefern und die Gebäude in bewohnbarem Zustand erhalten.

Dieses System hatte stark patriarchalische Züge; der Gutsbesitzer befand sich gegenüber den Gutsuntertanen in einer ähnlichen Rechtsstellung wie ein Vater ('pater') gegenüber seinen unmündigen Kindern: Er war für sie verantwortlich und teilte ihnen Arbeiten und Pflichten zu.

Es gab 'freie' und 'dienstpflichtige' Stellenbesitzer. Die Freibauern, die Freigärtner und die Freihäusler waren solche Stelleninhaber, deren Pflichten gegenüber der Grundherrschaft hauptsächlich in Geldzins und Naturalabgaben und weniger in Diensten bestanden; demgegenüber waren die dienstpflichtigen Bauern, Gärtner und Häusler stärker durch Frondienste und weniger durch Zinsleistungen belastet. Für sie alle und natürlich erst recht für die landbesitzlosen Gutsinsassen und Mietwohner war die Gutsherrschaft gleichsam die unterste staatliche und rechtliche Instanz, gegenüber deren Entscheidungen allerdings auch Einspruch eingelegt und sogar prozessiert werden konnte.

Die Bauern saßen auf den am besten ausgestatteten Rustikalstellen. Sie hatten außer Haus und Hof und Garten so viel Ackerland, daß sie zu dessen Bestellung mehrere Pferde- und Ochsengespanne benötigten. Die Bauerngüter umfaßten ein oder zwei, seltener mehr, schlesische Hufen (zu je 16,8 Hektar). Wenn die Bauern fronen mußten, hatten sie vor allem mit ihren Pferdefuhrwerken Spanndienste zu verrichten.

Die Gärtner hatten außer Haus, Hof und Garten nur wenig Ackerland; sie besaßen verschiedenerlei Vieh, allerdings keine Pferde. Ihr Dienst für die Herrschaft bestand hauptsächlich in Handdiensten. Wegen der geringeren Ertragfähigkeit ihrer Stelle übten sie gewöhnlich nebenbei ein Handwerk aus; wenn sie keines beherrschten, verdingten sie sich nebenbei als Tagelöhner. Es gab aber auch Gärtner, insbesondere Freigärtner, die so viel Land hinzugepachtet hatten, daß sie sich und ihre Familie allein vom Ackerbau und von der Viehzucht ernähren konnten.

Die Häusler hatten die kleinsten Rustikalstellen inne; denn zu einer Häuslerstelle gehörten nur Haus, Hof und Garten und so gut wie gar kein Ackerland, Zwar hielten auch die Häusler Vieh, vor allem Kleinvieh; sie konnten aber vom Gartenbau und von der Viehhaltung allein nicht leben und arbeiteten daher hauptsächlich als Handwerker, Tagelöhner oder Gutsarbeiter. Ihre Dienste für das Dominium bestanden ausschließlich aus Handdiensten; das heißt, sie mußten für eine festgesetzte Anzahl von Tagen mit einer bestimmten Anzahl von Familienangehörigen der Gutsherrschaft zur Verfügung stehen.

Die übrigen Bewohner des Dorfes waren landlose Gutsarbeiter, Tagelöhner, Knechte, Mägde, Schäfer, Hirten, Fischer und sonstige Gewerbetreibende, die in den zahlreichen Gesindewohnungen des Dominiums und seiner Vorwerke lebten oder als Einlieger, Inwohner oder Mietwohner einzelne Räume oder Auszugwohnungen der Stellenbesitzer gemietet hatten.

In den Reformjahren 1807, 1811, 1821 und 1845 wurden nun die schlesischen Landleute durch eine Reihe königlicher Ablösungsverordnungen (Regulierungsedikte) schrittweise aus der Gutsuntertänigkeit befreit. Die Rittergüter behielten zwar ihre dominierende Rolle, aber mehr durch die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gutsbezirke und weniger durch die ihnen verbliebenen Reste richterlicher und polizeilicher Verfügungsgewalt über die Gemeindebezirke.

Von nun an waren die jetzt freien dörflichen Stellen fast nur noch durch die - im einzelnen geschichtlich bedingte - Größe des zugehörigen Ackerlandes voneinander unterschieden. Als im Laufe der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts eine Reihe von Gärtnern und Häuslern durch Pacht, Kauf, Erbschaft oder Einheirat ihr Besitztum vergrößern konnte, da verloren die Bezeichnungen 'Bauer', 'Gärtner' und 'Häusler' ihren ursprünglichen Sinn. Der Begriff 'Bauer' wurde zwar weiterhin für die Eigentümer einer oder mehrerer Hufen verwendet; aber immer häufiger begegnen uns in den Urkunden schon vor der Jahrhundertwende die umfassenderen Begriffe 'Freistellenbesitzer' oder 'Stellenbesitzer' und zu guter Letzt der Sammelbegriff 'Landwirt'.

Den Begriff "Scholtisei" hat m. E. Herr Kille im Heimatblatt für die Kreise Strehlen und Ohlau (1/2000, S. 16) sehr gut erklärt:

Erbscholtisei ist der schlesische Ausdruck für den Besitz und das Schulzenamt, welches soviel wie Gemeindevorsteher beinhaltet. Der Schulze war also Inhaber eines erblichen Grundbesitzes, verbunden mit dem Amt eines Bürgermeisters und der Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit, daher wurden sie auch als Erb- und Gerichtsschulzen bezeichnet. Auch in Niedersachsen und Westfalen war der Besitz als Schulzenhof genannt, in Süddeutschland als Meierhöfe und im städtischen Bereich als Vogtei.

Während der deutschen Besiedlung Schlesiens war dieses Amt und Besitz dem "Lokator", dem Siedlungswerber vom Grundherren übertragen. In Schlesien waren das damals die Piasten-Herzöge, Fürsten-oder Bistümer. Die Verträge wurden also nur zwischen Lokator und Grundherrschaft, nicht mit dem Siedler getätigt. Dem Lokator oblag es dann, Neuansiedler in ihrer alten Heimat zu werben und in die neue Heimat zu führen. Er hatte in dem ihm zugewiesenen Landstrich die Siedelarbeit zu überwachen und zu leiten, mußte am Anfang für Saatgut und Gerätschaften und für die Existenz der Siedler sorgen. Sie konnten also keine abenteuerliche Glücksritter sein, sondern mußten über Erfahrung und entsprechendes Vermögen verfügen und trugen hohe Verantwortung dem Grundherren gegenüber. Die Belohnung war dann das Schulzenamt und das Schulzengut, die Erbscholtisei.

Der Schulze, in alten Urkunden "Scultetus" genannt, übernahm somit eine führende Funktion in der bäuerlichen Gemeinde. Ein weiteres Merkmal der Scholtisei war Besitz der Dorfschenke und Handelserlaubnis (Erbkretscham, Erbkrämer), die Errichtung von Handwerksbetrieben oder Mühlen (Erbschmiede, Erbmüller) und anderen Privilegien. Mit diesem Besitzstand überragte der Erbschulze mit seiner Erbscholtisei verständlicherweise die übrigen Einwohner eines Ortes. Diese wirtschaftliche Vorrangstellung verband sich aber auch mit vielen rechtlichen und öffentlichen Funktionen. Er hatte im Ort die Polizeigewalt und niedere Gerichtsbarkeit (Erb- und Gerichtsschulze) und fungierte als Gerichtsbeisitzer bei Verhandlungen höheren Orts. Für seinen Grundherren mußte er Steuern und Abgaben einziehen und Verordnungen bekannt machen. Ältere Leser werden sich noch an das "Krumphulz", die "Krumme" oder an das zum "Gebote giehn" erinnern. Diese Rechte und Pflichten waren aber nicht an die Person, sondern an die besitzende Scholtisei gebunden. Der Besitz war in männlicher und weiblicher Linie vererbbar, frei verkäuflich, teilbar z. B. der Verkauf von Mühlenrecht und beleihbar, also kreditfähig. Das waren für lange Zeit Zugeständnisse des Grundherren, war die Scholtisei doch auch von grundherrlichen Zinsen befreit (Freigut, Freibauern).

War der Schulze anfangs Vertrauensmann des Grundherren, verlor er mit fortschreitendem Verfall landesfürstlicher Macht seine Rechte und Privilegien. Das führte oft zum wirtschaftlichen Niedergang, Überschuldung, Teilung des Besitzes und Untertänigkeit; und mit der Ausdehnung der Rittergüter schwanden die Erbscholtiseien.

Walter Latzke berichtet in "Die Schlesische Erbscholtisei": Im Krs. Breslau gab es 1830 noch 59 Erbscholtiseien, 1902 nur noch 23. Im etwa gleichen Zeitraum im Kreis Ohlau ging ihre Zahl von 49 auf 20 und im Kreis Brieg von 37 auf 17 zurück. Bis zur Vertreibung waren das gute bäuerliche Wirtschaften und die Bezeichnung "Erbscholtisei" nur noch ein Aushängeschild.

Quelle:
Klaus E. Kunze, Das schlesische Dorf Klein Ellguth "Oelßnischen Creyses", Köln 2000, ISBN 3-933334-09-8,

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